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Pressespiegel

Mandanteninformation zum neuen Mietrecht

Erfahrungen mit dem neuen Mietrecht – „Berliner Räumung“

von Thorsten Wenning
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Partner der Kanzlei GTW in Krefeld.

Mit der seit dem 1. Mai 2013 geltenden Mietrechtsreform und der gesetzlichen Fixierung der„Berliner Räumung“ haben Vermieter grundsätzlich mehr Rechtssicherheit erhalten, da der Ausschluss des säumigen Mieters mittels Austausch des Schlosses der Wohnungstüre nun positiv fixiertes Recht ist. In der täglichen Räumungspraxis zeigt sich jedoch schon jetzt, dass Vermieter diesen Vorteil mit zusätzlichen Kosten und Risiken bezahlen müssen. Rechtsanwalt Thorsten Wenning erläutert, worauf es ankommt.

Bereits mit Beschluss vom 17.11.2005 hatte der Bundesgerichtshof die sogenannte „Berliner Räumung“, das heißt, die auf bloße Besitzverschaffung beschränkte Räumung für zulässig erachtet. Diese Art der durch die Rechtsprechung geschaffenen Räumung hatte sich schnell zur beliebtesten Art der Räumung entwickelt. Die Kosten der „Berliner Räumung“, die mangels Solvenz des Mieters meistens am Vermieter „hängen blieben“, waren in der Regel geringer als bei einer vollständigen Räumung der Wohnung durch den Gerichtsvollzieher. Der Vermieter konnte nämlich die Wohnungseinrichtung des Mieters zunächst einfach in der zu räumenden Wohnung belassen und später selbst für eine Räumung und Einlagerung der hinterlassenen Gegenstände sorgen. Allerdings waren Einzelheiten dieser Art der Räumung auch in der Rechtsprechung umstritten und eine gesetzliche Regelung daher sinnvoll. Die Praxis zeigt jedoch: Auch die gesetzlich geregelte „Berliner Räumung“ bereitet Vermietern Probleme.

Erstes Problem: Die Dokumentationspflicht

Der Gerichtsvollzieher ist nunmehr gehalten, alle frei ersichtlichen beweglichen Sachen, die er beim Vollstreckungstermin vorfindet, schriftlich und gegebenenfalls auch visuell durch Fotos zu dokumentieren. Das Protokoll soll dazu dienen, Streit zwischen Vermieter und Mieter zu vermeiden über das Hab und Gut, das der Vermieter bei der Besitzeinweisung vorgefunden hat. Das Problem liegt darin, dass die Protokollierung nicht die Anforderungen an eine vollständige Inventarisierung erfüllen muss, sondern lediglich einen zuverlässigen Überblick bieten soll über den zur Zeit der Räumung vorhandenen wesentlichen Bestand und Zustand der beweglichen Sachen des Mieters. Die Gefahr besteht, dass kleinere Gegenstände wie Mobiltelefone, Schmuck, Umschläge mit Bargeld und dergleichen bei der Protokollierung übersehen und anschließend zum Gegenstand von Streitigkeiten werden können.
TIPP: Vermieter sollten daher größtes Interesse daran haben, bei der Protokollierung möglichst anwesend zu sein und darauf zu achten, dass solche Gegenstände vom Gerichtsvollzieher nicht übersehen, sondern genauestens festgehalten werden. Insbesondere ist darauf zu achten, dass das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Gegenständen auf den vom Gerichtsvollzieher angefertigten Fotos festgestellt werden kann.

Zweites Problem: Nur „frei ersichtliche Sachen“ müssen protokolliert werden

Eine besondere Herausforderung beim Umfang der Protokollierung stellt die gesetzliche Formulierung „frei ersichtliche Sachen“ dar. Aus dem Wortlaut „frei ersichtlich“ ergibt sich, dass der Inhalt von Schubladen und Schränken nicht umfasst sein dürfte. Die Folge: Behauptet der Mieter anschließend, dass derart „versteckte“ Wertgegenstände im Zuge der Räumung übersehen worden und abhandengekommen seien, sind Streitigkeiten vorprogrammiert. Hier trägt die nunmehr geregelte Protokollierungspflicht des Gerichtsvollziehers nicht dazu bei, Streit zu vermeiden.
TIPP: In der Praxis sollten Vermieter daher anstreben, dass der Gerichtsvollzieher auch nicht-freiersichtlicheGegenstände in das Protokoll aufnimmt.

Drittes Problem: Gerichtsvollzieher benötigt Hilfskräfte

Die Protokollierungspflicht kann dazu führen, dass der Gerichtsvollzieher Hilfskräfte benötigt, um das Protokoll erstellen zu können. Je nach dem Zustand der Wohnung und der Menge der zu dokumentierenden Sachen kann der Gerichtsvollzieher diese Aufgabe nicht alleine bewältigen und muss Hilfskräfte hinzuziehen, mit der Folge, dass sich hierdurch zwangsläufig die Kosten der Räumungsvollstreckung erhöhen. In der Praxis gehen die Gerichtsvollzieher jedenfalls vermehrt dazu über, bereits im Vorfeld der Räumung pauschal einen Vorschuss für derartige Hilfskräfte beim
Vermieter anzufordern.

Viertes Problem: Vernichtung vermeintlich wertloser Gegenstände

Die gesetzlichen Neuregelungen sehen vor, dass der Vermieter dazu berechtigt ist, Gegenstände, an denen der Mieter „offensichtlich kein Interesse mehr“ hat, jederzeit zu vernichten. Dies birgt allerdings Abgrenzungsschwierigkeiten für den Vermieter. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll das Fehlen dieses Interesses des Mieters nur unter engen Voraussetzungen angenommen werden können, so zum Beispiel bei gewöhnlichem Abfall und Unrat. Hat der Mieter dagegen im Vorfeld der Räumung bereits sein Interesse an einer Aushändigung bestimmter Sachen geäußert, so dürfen diese Sachen jedenfalls nicht vernichtet werden. Kein Fall des offensichtlichen Fehlens des Aufbewahrungsinteresses soll hingegen bei solchen wertlosen oder gebrauchsunfähigen Sachen vorliegen, deren weitere Verwertung durch den Mieter bei Betrachtung durch einen objektiven Dritten nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Diese Sachen sollen im Zweifel zunächst in Verwahrung genommen werden, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Mieter diese nicht mehr behalten will. Übersetzt heißt das: Kann sich ein Außenstehender noch irgendeine Art der Verwertung vorstellen, müssen auch wertlose und nutzlose Sachen solange aufbewahrt werden, bis der Mieter ausdrücklich sagt: „Weg damit!“
Diese Unterscheidung zu treffen, dürfte für den Vermieter häufig nur schwer möglich sein. Fraglich ist beispielsweise, wer mit letzter Sicherheit beurteilen kann oder will, ob ein alter, teilweise defekter Fernseher vom Mieter nach der Räumung noch verwendet werden wird. Zur Vermeidung von anschließenden Auseinandersetzungen mit dem Mieter kann daher dem Vermieter nur angeraten werden, ausschließlich gewöhnlichen Abfall und Unrat zu vernichten. Alle übrigen Gegenstände sollten zunächst verwahrt werden.

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GTW ANWÄLTE FÜR BAU- UND IMMOBILIENRECHT
Thorsten Wenning
Rechtsanwalt und Partner
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T +49 2151.56 78 60
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